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NBA: Amare Stoudemire: Den Durchblick behalten

Mittwoch, 19. Mai 2010

Die Phoenix Suns können es noch! Das liegt nicht nur an Ex-MVP Steve Nash sondern auch an Amare Stoudemire, der nach überstandener Augenverletzung und etlichen Trade-Gerüchten immer noch die Fans verzückt

Der kleine Santos Medina trifft zum ersten Mal in seinem Leben einen Riesen. Doch der Fünfjährige fürchtet sich nicht vor dem 2,OB-Meter-Mann.Im Gegenteil: Als der Gigant seine Pranken auf Santos’ Schultern legt, grinst der Grundschüler bis über beide Ohren. Er ist mächtig stolz auf den Besucher seiner Grundschule. Es ist nämlich kein Geringererals Amare Stoudemire,Star der Phoenix Suns. Der Big Man verschenkt Rucksäcke an die insgesamt 300 Kids und hält einen Vortrag zum Thema Bildung. Doch der All Star belässt es nicht bei Weisheiten wie “Lesen, Schreiben und Rechnensind eure Schlüssel zum Erfolg im Leben”. Er erzählt den Kids ganz offen, dass die Saison 2009/10 seine letzte in Arizona sein könnte: “Wer weiß? Vielleicht ist dies der Anfang meiner Abschiedstournee.” Plötzlichhängt eine dunkle, unheimliche Wolke des Erwachsenseins über den kleinen, unschuldigen Köpfen. “Hey Kids! Schreibt den Suns schnell einen Brief, dass sie Amare behalten sollen”, sagt ein anderer Gast. Er will die Wolke schnell wegschieben. “Benutzt Wachsmaler oder was ihr möchtet. Wir geben das dann an den Club weiter.” Bunte Ranzen. Farbstifte. Fröhliche Kinder.Schöne Bilder, die Stoudemire im Frühling fast für immer verloren hätte. Zumindest auf seinem rechten Auge: Der Superstar wäre nämlich beinahe rechts erblindet, es drohte sein Karriere-Ende!

Riskante Notoperation

Das Unglück passiert am 1B. Februar 2009. DieSuns sind in LA. zu Gast und überrennen die Clippers erwartungsgemäß mit 142:119. Star des Abends ist mit 42 Zählern und elf Rebounds … Amare Stoudemire. Ausgerechnet er! Denn wenige Tage zuvor gilt sein Abgang per Trade als sicher. Doch die Suns halten an ihrem Draft-Pick von 2002 fest.

Dann der Schock: Stoudemire, der im Spiel einen Finger ins rechte Auge bekommt und die Partie trotzdem erfolgreich beende!, hat nach dem Spiel Schmerzen. Die unangenehme, aber alltägliche Verletzung ist wohl nichts Schlimmes- denken alle. Einähnlicher Unfall Stoudemires im Trainingscamp 200B verlief glimpflich – doch dieser nicht. Der Star muss unters Messer.Es geht um sein Augenlicht! “Amare hat eine erhebliche Ablösung seiner Netzhaut und Blut im rechten Auge”, erklärt sein Arzt . “Es ist ein Notfall.”

Das menschliche Auge funktioniert wie eine Kamera: Vorne lässt eine Linse Licht hinein, das hinten auf einer Nervenschicht (Netzhaut) abgebildet wird. Von dort werden dann die Bilder ins Gehirn transportiert. Eine Verletzung an dieser Stelle ist schwer zu behandeln, die Operation endet nur in 50 Prozent der Fälle erfolgreich. Bei Stoudemire geht zum Glück alles gut, trotzdem muss er im Juli eine Folge-OP über sich ergehen lassen. Der Doktor entfernt Flüssigkeit aus dem Auge und setzt ein Gasbläschen ein, um die Netzhaut zurück an ihren Platz zu drücken. Wer das bereits für heftig hält, hat die Anweisungen des Doktors noch nicht gelesen: zehn Tage am Stück mindestens 22 Stunden am Tag auf dem Bauch liegen! Stoudemire zieht für diese schwere Zeit extra in ein Hotel,um nichts zu riskieren.

“Es war die Hölle. Erst die Angst um mein Auge. Dann die OP und das ewige Herumliegen”, erinnert sich Stoudemire. “Aber ich musste mich am Riemenreißen. Für mein Auge. Für mein Team.Für meine Zukunft.” Selbst nach der Tortur auf seiner “Folterbank” muss der Mann mit der Trikotnummer eins cool bleiben. Denn der Blutdruck darf nicht steigen, sonst beansprucht er sein Auge zusätzlich. Heißt: kein Basketball. Kein Krafttraining. Keine schnellen (Kopf-)Bewegungen. Keine Blutstöße in den Kopf. Bitter: Selbst beim Essen, Schlafen und Toilettengang ist er gehandicapt. Zu den physischen Problemen kommt psychischer Stress. Am Draft-Tag, keine drei Wochen nach der zweiten Augenoperation, steht der potenzielle Franchise-Player vor dem Aus in Phoenix. Auch weil sich die Suns weigern, über eine Vertragsverlängerung zu sprechen.

“Wir werden diesen finanziellen Schritt nicht machen, bevor wir Amare wieder in Action gesehen haben”, sagt General Manager Steve Kerr ganz kühl. “Wir hoffen und erwarten,dass er wieder fit wird. Aber wir dürfen nichts überstürzen.” Die Konsequenz: Amares Vertrag läuft im Sommer 2010 aus. Dann kann er eine Vertragsoption ziehen und für ein Jahr sowie 17,7 Millionen Dollar verlängern. Oder gehen …

Doch damit nicht genug. Denn vor dem Draft taucht plötzlich wieder ein hässliches Trade-Gerücht auf. Es gilt sogar als sicher, dass Stoudemire nach Golden State wechselt. Doch weil College-Star Stephen Curry den Warriors in den Schoß fällt, wird der Trade in die Tonne gekloppt. Aber auch ohne abgeschoben zu werden, ist es für Stoudemire ein Horrorsommer!

Comeback-King

Doch der Pechvogel fightet weiter. Schafft das Comeback. Und hilft den Suns mit elf Siegen in 14 Partien aus den Startlöchern. Das siegreichste Team der Liga erzielt auch die meisten Zähler im Schnitt (110,4) bei der besten Feld- (49,2 Prozent) und Dreierquote (44,4) der NBA.Wow! Mittendrin ist Suns- Topscorer Amare Stoudemire mit neuer Schutzbrille und 19,9 Punkten pro Partie.

Das schnelle Spiel der Suns unter Headcoach Alvin Gentry, das sich am Turbo-Basketball seines Vor-Vorgängers Mike D’Antoni orientiert, macht die Suns wieder zum heißen Playoff-Team. “Es macht wieder Spaß”, freut sich Stoudemire. “Wir sind eine eingespielte Truppe mit tollen Spielern. Wir sind locker und reißenWitze,erledigen aber auch unsere Arbeit.” Doch der Gedanke, dass es seine Abschiedssaison sein könnte, lässt ihn nicht los. “Im Angesicht meines möglichen Karriere-Endes habe ich mich gefragt: Was ist eigentlich dein Vermächtnis?”, denkt Stoudemire nach.

“Hall-of-Famer? NBA-Meister? Das, was ich sein wollte? Nichts davon.Also setze ich jetzt alles daran, an meinem Denkmalzu meißeln.” Gut für die Suns, denn die haben einen zu 100 Prozent motivierten Stoudemire im Team und gewinnen ein Spiel nach dem anderen. So lange kann man die Trade-Gerüchte doch gern beiseiteschieben.